Ob ein Hausbesitzer dafür haften muss, wenn bei einem Sturm Dachziegel von seinem Haus auf das Nachbargrundstück fliegen und dabei Schäden anrichten, obwohl er vorher von einem Fachmann eine Sichtprüfung des Daches durchführen ließ, zeigt ein Gerichtsurteil.

Ein Besitzer eines in einer sturmreichen Region befindlichen Gebäudes muss nachweisen können, dass er Haus und Dach zumindest einmal jährlich auf Sturmfestigkeit hin überprüfen hat lassen. Anderenfalls haftet er für Schäden, die bei Sturm durch herunterfallende Gebäudebestandteile in der Nachbarschaft entstanden sind. Das hat das Landgericht Aurich kürzlich entschieden (Az.: 3 O 1102/16).

Das Orkantief Christian hatte Ende Oktober 2013 unter anderem in Norddeutschland erhebliche Schäden angerichtet. Bei einem Haus auf einer Nordseeinsel wurden durch den Orkan Dachziegel gelöst, die dann auf das Flachdach des nebenstehenden Gebäudes herunterfielen. Dabei waren am Flachdach erhebliche Schäden entstanden. Außerdem hatte einer der herumfliegenden Ziegel ein Fenster zerstört.

Der Schaden in Höhe von mehr als 10.000 Euro wurde zunächst von dem Gebäudeversicherer des Hauses, dessen Flachdach durch die Ziegel beschädigt worden war, beglichen. Allerdings warf der Versicherer dem Besitzer des Nachbargebäudes jedoch vor, dass sich die Ziegel nur deswegen vom Dach seines Hauses gelöst hatten, weil dieses nicht ordnungsgemäß gewartet worden war. Der Versicherer verlangte daher die Erstattung der Aufwendungen für den Gebäudeschaden.

Berechtigte Forderung

In dem sich anschließenden Rechtsstreit verteidigte sich der beklagte Gebäudebesitzer damit, es sei angesichts des schweren Sturms nicht zu verhindern gewesen, dass sich Ziegel von Dächern lösten. Auf der Insel habe es zahlreiche vergleichbare Schadenereignisse gegeben.

Im Übrigen sei ihm durch einen Mitarbeiter eines Dachdeckers anlässlich einer im Mai 2013 durchgeführten Dachfensterreparatur bestätigt worden, dass diesem im Rahmen einer von ihm vorgenommenen Sichtprüfung keine Schäden an dem Dach aufgefallen seien. Das Dach habe sich zu diesem Zeitpunkt in einem ordnungsgemäßen und technisch einwandfreien Zustand befunden.

Diese Argumentation vermochte das Auricher Landgericht nicht zu überzeugen. Es hielt die Regressforderung des Gebäudeversicherers für berechtigt.

Unzureichende Kontrolle

Nach der Beweisaufnahme zeigten sich die Richter davon überzeugt, dass die schadenverursachenden Dachziegel ausschließlich von dem Gebäude des Beklagten stammten. Werde aber durch die Ablösung von Teilen eines Gebäudes eine Sache beschädigt, so sei der Gebäudebesitzer gemäß Paragraf 836 Absatz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) dazu verpflichtet, für dadurch Dritten entstandene Schäden aufzukommen.

Diese Verpflichtung bestehe nur dann nicht, wenn er nachweisen könne, die zur Abwehr der Gefahr im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet zu haben. Diesen Nachweis habe der Beklagte nicht erbracht.

Denn nach Ansicht des Gerichts war die im Mai anlässlich der Dachfensterreparatur durchgeführte Sichtkontrolle nicht ausreichend, um feststellen zu können, dass sich das Dach tatsächlich in einem weitgehend sturmsicheren Zustand befand.

Regelmäßige Prüfung erforderlich

Eine fachmännische Dachkontrolle würde nämlich unter anderem die Prüfung des Firstes auf ausreichende Klammerung und ein Abgehen der Ortgänge umfassen und Kosten zwischen 300 und 400 Euro verursachen. Bei der von dem Dachdecker durchgeführten Sichtkontrolle habe es sich jedoch nur um eine oberflächliche Nebenleistung gehandelt. Das könne man auch der Rechnung entnehmen, in welcher unter der Position „Schadenaufnahme“ lediglich ein Betrag von 50 Euro berechnet worden sei.

„Eine ordnungsgemäße Unterhaltung verlangt aber eine regelmäßige Überprüfung des baulichen Zustandes eines Gebäudes auf alle Gefahren, mit denen nach der Lebenserfahrung zu rechnen ist, wobei sich Intensität und Häufigkeit insbesondere nach der Lage und Nutzung des Gebäudes sowie der Schadenanfälligkeit seiner Konstruktion bemessen“, so das Gericht.

Angesichts der exponierten Lage der Insel, auf welcher sich der Schaden ereignete, halten die Richter eine zumindest jährliche ausführliche Kontrolle für erforderlich. Dass der Beklagte dieser Verpflichtung nachgekommen ist, konnte er nicht beweisen.

Fehlender Nachweis

Er kann sich nach Ansicht des Gerichts auch nicht darauf berufen, dass es anlässlich des Orkans auch zu Schäden an zahlreichen anderen Gebäuden gekommen war. Denn das beweise nur, dass deren Besitzer ebenfalls keine ausreichende Vorsorge getroffen hätten. Die in der Nähe des Gebäudes gemessene Sturmstärke sei mit 136 Stundenkilometern ebenfalls nicht wirklich außergewöhnlich gewesen. Die Windgeschwindigkeit hätte sich zumindest nicht in Größenordnungen bewegt, welche erfahrungsgemäß lediglich alle 50 bis 100 Jahre einmal auftreten würden.

Der Beklagte habe daher mit derartigen Sturm- beziehungsweise Orkanereignissen rechnen und entsprechende Vorsorge treffen müssen, um sich im Fall von Schäden entlasten zu können. Die Entscheidung ist mittlerweile rechtskräftig. Der Fall zeigt nicht nur, wie weitreichend die Sorgfaltspflichten eines Immobilienbesitzers sind, sondern auch wie wichtig es für Hauseigentümer ist, eine Haus- und Grundbesitzer-Haftpflichtversicherung zu haben.

Denn eine solche Police kommt unter anderem für Schäden auf, die durch fahrlässiges Verhalten des Gebäudebesitzers wie eine ungenügende Prüfung des Gebäudes verursacht werden. Sie wehrt aber auch unberechtigte Ansprüche notfalls vor Gericht ab. Wer als Inhaber eines selbst genutzten Einfamilienhauses eine Privathaftpflicht-Versicherung hat, kann sich in der Regel freuen, denn in vielen Privathaftpflicht-Policen ist der entsprechende Gebäude-Haftpflichtschutz kostenlos mitversichert. Besitzer eines Mehrfamilienhauses benötigen jedoch eine separate Haftpflichtpolice.

Quelle: (verpd)

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