Gesetzlich Krankenversicherte, die aus medizinischen Gründen eine Perücke benötigen, steht nur unter bestimmten Umständen eine Echthaar- anstatt einer Kunsthaarperücke zu, wie ein Gerichtsfall belegt.

Dauerhaft kahlköpfige Frauen haben nur dann einen Anspruch auf die Versorgung mit Haarersatz aus Echthaar durch ihren gesetzlichen Krankenversicherer, wenn das im Vergleich mit einer Kunsthaarperücke langfristig eine kostengünstigere Variante darstellt. Das geht aus einem aktuellen Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden (Az.: S 18 KR 304/18) hervor.

Eine unter komplettem Haarverlust leidende Frau hatte sich schon vor Jahren dazu entschieden, Echthaarperücken zu tragen. Und das, obwohl sie ihre gesetzliche Krankenkasse, bei der sie gesetzlich krankenversichert ist, nur mit einer Kunsthaarperücke versorgen wollte. Diese Entscheidung begründete die Krankenkasse damit, dass Kunsthaarperücken deutlich preisgünstiger seien und auf den ersten Blick nicht von Echthaarperücken unterschieden werden könnten.

Das sah die Frau anders. Sie zog daher gegen ihre Krankenkasse mit der Forderung vor Gericht, dass diese sie mit Echthaarperücken zu versorgen habe. Mit Erfolg. Das Dresdener Sozialgericht gab der Klage statt.

Eine Frage der Wirtschaftlichkeit

Nach Ansicht der Richter kann es offenbleiben, ob Kunsthaarperücken optisch in jedem Fall ausreichend seien, um den Verlust des natürlichen Haupthaars für unbefangene Beobachter zu kaschieren. Fakt sei, dass eine Versorgung mit Echthaarperücken letztlich wirtschaftlicher sei. Denn diese könnten nach Aussage eines als Zeugen gehörten Experten deutlich länger genutzt werden, bevor sie unansehnlich werden und ausgetauscht werden müssen.

In dem entschiedenen Fall seien die von der Betroffenen angeschafften Perücken zwar knapp 50 Prozent teurer gewesen als ein Haarersatz aus Kunsthaar. Sie hätten jedoch auch doppelt so lange gehalten, bevor eine Neuversorgung erforderlich gewesen sei. Ihre Krankenkasse sei daher dazu verpflichtet, sie mit Echthaarperücken zu versorgen.

Ausdrücklich nicht positioniert hat sich das Gericht zu der Frage, ob gesetzlich krankenversicherte Frauen, die nach einer Chemotherapie unter vorübergehender Haarlosigkeit leiden, ebenfalls einen Anspruch auf die Versorgung mit einer Echthaarperücke haben. Diese Frage würde von den Sozialgerichten unterschiedlich beurteilt. Die Richter raten daher dazu, dass sich Betroffene in derartigen Fällen vor der Anschaffung einer Perücke mit ihrer Krankenkasse in Verbindung setzen. Die Entscheidung des Dresdener Sozialgerichts ist rechtskräftig.

Haarersatz bei partiellem Haarverlust

Übrigens auch bei einem partiellen Haarverlust einer Frau kann ein Anspruch auf ein Kunst- oder sogar ein Echthaarteil bestehen. Denn laut einem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Az.: L 4 KR 50/16) ist ein partieller Haarverlust einer Frau als Behinderung anzusehen. Ziel der Versorgung behinderter Menschen mit Hilfsmitteln durch eine gesetzliche Krankenkasse ist die Förderung ihrer Selbstbestimmung und ihrer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.

„Die sich daraus ergebende Frage, welche Qualität und Ausstattung ein Hilfsmittel haben muss, um als geeignete, notwendige, aber auch ausreichende Versorgung des Versicherten gelten zu können, beantwortet sich danach, welchem konkreten Zweck die Versorgung im Einzelfall dient“, so die Richter des Landessozialgerichts. Eine Krankenkasse schulde ihren Versicherten in der Regel zwar nur eine Versorgung, die den Haarverlust nicht sogleich erkennen lasse. Das ursprüngliche Aussehen umfassend zu rekonstruieren, sei von der Leistungspflicht nicht umfasst.

Ist es medizinisch notwendig, kann es auch erforderlich sein, den Versicherten mit einem maßgefertigten Echthaarteil zu versorgen. Beispielsweise wenn, wie im genannten Gerichtsfall, ein Dermatologe es angesichts des Krankheitsbildes des Betroffenen für kontraindiziert hält, das verbliebene Haupthaar vollständig abzudecken. Eine Kunsthaarperücke, die zu einem Festbetrag erhältlich ist, stelle in dem Fall keine zweckmäßige Versorgung dar.

Ungleichbehandlung zugunsten von Frauen

Das Bundessozialgericht (BGS) hatte 2015 in einem Urteil (Az.: B 3 KR 3/14 R) übrigens entschieden, dass unter dem Verlust ihres Haupthaars leidende Männer nur selten Anspruch auf die Versorgung mit einer Perücke durch ihren gesetzlichen Krankenversicherer haben. Laut BSG verliere „die überwiegende Zahl der Männer im Laufe des Lebens ganz oder teilweise ihr Kopfhaar… Haarlosigkeit bei Frauen tritt aus biologischen Gründen nicht regelhaft im Laufe des Lebens ein und ist daher ein von der Norm abweichender Zustand, der – wenn er entstellend wirkt – krankheitswertig sein kann“.

„Die Versorgung einer Frau mit einer Perücke kann daher Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung sein“, so das BSG. Das BSG erklärt, dass zwar der typische Verlust des Kopfhaares beim Mann weder eine Krankheit noch eine Behinderung ist. „Ein darüber hinausgehender Haarverlust, der unter anderem auch die Brauen, Wimpern und den Bartwuchs umfasst (Alopecia areata universalis), kann jedoch bei einem jungen Mann eine Krankheit darstellen“, so das BSG. Damit wären die Kriterien für die Kostenübernahme einer Perücke durch die GKV erfüllt.

„Ein von vollständigem Haarverlust (Alopecia areata universalis) betroffener Mann kann von der Krankenkasse die Versorgung mit einer Perücke nur dann beanspruchen, wenn sein Aussehen objektiv als entstellend wirkend empfunden werden kann. Dass die Kahlköpfigkeit bei Frauen einen Anspruch auf Versorgung mit einer Perücke regelmäßig auslöst, während dies bei Männern nur ausnahmsweise – und dann in jüngeren Jahren – der Fall sein kann, verstößt nicht gegen das Verbot geschlechtsspezifischer Ungleichbehandlung“, so die Leitsätze im BSG-Urteil.

Quelle: (verpd)

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