Ob ein Arbeitnehmer mit einem Lohnausfall rechnen muss, wenn er in ein Corona-Risikogebiet verreist und danach von seinem Arbeitgeber, nicht aber von Behörden aufgefordert wird, zwei Wochen in häuslicher Isolation zu bleiben, zeigt ein Gerichtsurteil.

Ein Arbeitgeber hatte einen Beschäftigten für zwei Wochen in häusliche Isolation geschickt, ohne dass eine behördliche Anweisung vorlag. In diesem Fall muss er dem Arbeitnehmer für diese Zeit den Lohn fortzahlen. Das hat das Arbeitsgericht Dortmund mit einem Urteil entschieden (Az.: 5 Ca 2057/20).

Ein Arbeitnehmer war zusammen mit seiner Ehefrau in der Zeit zwischen dem 11. und 15. März 2020 in einer Ferienwohnung mit Selbstversorgung in Tirol. Unmittelbar nach der Rückkehr aus dem Österreich-Urlaub teilte ihm sein Arbeitgeber mit, dass er nicht zur Arbeit kommen dürfe. Er müsse sich vielmehr mit seiner Frau für zwei Wochen in häusliche Quarantäne begeben. Dieser Aufforderung kamen die Eheleute nach. Die Zeit der Quarantäne zog der Unternehmer anschließend von dem Positivsaldo des Arbeitszeitkontos des Mannes ab. Damit war dieser nicht einverstanden.

Er zog daher vor Gericht. Seine Klage begründete er damit, dass die Quarantäne nicht behördlich angeordnet worden sei. Vor seiner Abreise sei Tirol vom Robert-Koch-Institut (RKI) auch nicht als Risikogebiet eingestuft worden. Unabhängig davon seien die Wohnbedingungen am Ferienort zu berücksichtigen. In einer Ferienwohnung mit Selbstverpflegung bestehe nämlich ein deutlich geringeres Infektionsrisiko als bei einem Aufenthalt in anderen Quartieren. Mit dieser Argumentation hatte der Beschäftigte Erfolg. Das Gericht gab seiner Klage in vollem Umfang statt.

Unternehmer trägt Vergütungsrisiko

„Beschließt nämlich ein Arbeitgeber aus eigenem Antrieb, seinen Betrieb zu schließen oder einen oder mehrere Arbeitnehmer zum Schutz der sonstigen Belegschaft in Quarantäne zu schicken, trägt er nach den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre das Vergütungsrisiko“, so das Gericht. Der Arbeitgeber wäre also nach den Grundsätzen der gesetzlichen Risikoverteilung allenfalls dann von der Verpflichtung zur Lohnfortzahlung befreit gewesen, wenn die zuständige Gesundheitsbehörde eine Betriebsschließung oder eine Quarantäne einzelner Beschäftigter angeordnet hätte.

Das gilt nach Meinung der Richter selbst dann, wenn der Anlass einer Betriebsstörung wie in dem entschiedenen Fall nicht aus einer vom Arbeitgeber beeinflussbaren Gefahrensphäre stammt. Nur unter bestimmten Umständen wäre der Unternehmer gegebenenfalls nicht zur Lohnfortzahlung während der Zeit der Quarantäne verpflichtet gewesen. Hierfür hätte der Kläger jedoch entgegen einer Warnung des RKI quasi sehenden Auges nach Tirol reisen müssen. Davon könne jedoch nicht ausgegangen werden. Denn bei Reisebeginn habe es noch keine entsprechende Warnung gegeben.

Tirol sei zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht als Risikogebiet eingestuft worden. Im Übrigen müsse auch die Form des Aufenthalts berücksichtigt werden. „Denn eine Ferienwohnung mit Selbstversorgung bietet in solchen Fällen deutlich weniger Infektionsrisiko als beispielsweise der Aufenthalt in einem stark frequentierten Hotel oder einem Gasthof“, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung. Der beklagte Arbeitgeber habe daher die Zeit der Quarantäne des Mannes zu Unrecht von dessen Positivsaldo seines Arbeitszeitkontos abgezogen.

Quarantäne mit oder ohne Lohnfortzahlung

Grundsätzlich gilt laut Paragraf 56 IfSG (Infektionsschutzgesetz): Wird gegen alle oder einzelne Beschäftigte eines Betriebes wegen eines Verdachts einer möglichen Corona-Ansteckung von behördlichen Stellen wie dem Gesundheitsamt eine Quarantäne verhängt, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf die sechswöchige Arbeitgeber-Lohnfortzahlung und Krankengeld.

„Arbeitnehmer erhalten von ihrem Arbeitgeber für die Dauer der Isolierung, längstens für sechs Wochen, eine Entschädigung in Höhe des Nettolohns. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag erstattet. Nach sechs Wochen zahlt der Staat in Höhe des Krankengeldes weiter. Erkrankte fallen nicht unter diese Entschädigungsregelung, weil diese bereits Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Krankengeld erhalten“, so das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS).

Wer jedoch wissentlich in ein Corona-Risikogebiet verreist und bei der Rückreise eine bereits bekannte Quarantänemaßnahme einhalten muss, hat in der Regel keinen Anspruch auf eine Lohnfortzahlung. Welche Länder und Regionen zu den Risikogebieten zählen, ist auf den Webportalen des RKI sowie des Auswärtigen Amtes ersichtlich. Mehr Details zu arbeitsrechtlichen Fragen im Rahmen der Coronapandemie enthält der Webauftritt des BMAS.

Wenn der Arbeitgeber nicht zulässige Entscheidungen trifft

Das Urteil belegt, dass es durchaus sinnvoll sein kann, sich gegen eine nach eigener Meinung ungerechtfertigte Maßnahme des Arbeitgebers zu wehren.

Allerdings müssen bei einem Arbeitsrechtsstreit Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der ersten Instanz die eigenen Rechtsanwaltskosten selbst tragen, und zwar unabhängig vom Ergebnis.

Eine bestehende Privat- und Berufsrechtsschutz-Versicherung übernimmt im Versicherungsfall jedoch die Kosten für derartige, aber auch für zahlreiche andere Streitigkeiten, wenn der Versicherer vorab eine Leistungszusage erteilt hat. Ein derartiger Kostenschutz hilft letztendlich dabei, dass man nicht aus finanziellen Gründen auf sein Recht verzichten muss.

Quelle: (verpd)

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