Ob ein Radfahrer, der eine Vorfahrtsverletzung begeht und deshalb einen Unfall verursacht, Schadenersatz und Schmerzensgeld vom Unfallgegner fordern kann, nur weil von einem Auto eine verschuldensunabhängige Gefahr, die sogenannte Betriebsgefahr ausgeht, zeigt ein Gerichtsurteil.

Verstößt ein volljähriger Fahrradfahrer eindeutig gegen Vorfahrtsregeln, so hat er im Fall einer Kollision mit einem Autofahrer keinerlei Ansprüche auf Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld. Der Autofahrer haftet in so einem Fall auch nicht aus der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs, so hat das Oberlandesgericht Oldenburg in einem veröffentlichten Urteil (Az.: 1 U 19/14) entschieden.

Ein Mann war mit seinem Pkw auf einer innerstädtischen Straße in Oldenburg unterwegs, als ihm in Höhe einer Einmündung eine 20-Jährige auf einem Fahrrad entgegenkam. Doch obwohl der Pkw-Fahrer Vorfahrt hatte, bog die Radlerin unvermittelt nach links ab.

Bei der anschließenden Kollision wurde sie gegen die Windschutzscheibe des Autos geschleudert und erheblich verletzt. Weil er mitansehen musste, wie die Radfahrerin von seinem Fahrzeug erfasst und gegen die Windschutzscheibe sowie die Dachkante geschleudert wurde, erlitt der Autofahrer einen Schock.

Beide Unfallgegner stellten gegenseitige Forderungen

Der Autofahrer forderte von der Fahrradfahrerin daher nicht nur den Ersatz des ihm entstandenen Fahrzeugschadens, sondern auch die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes. Deren Privathaftpflicht-Versicherer wollte jedoch nur die Hälfte der Forderungen anerkennen.

Mit seiner Klage verlangte der Autofahrer daher den vollständigen Ersatz des ihm entstandenen Schadens. Die Fahrradfahrerin reichte daraufhin Widerklage ein, mit der auch sie den Ersatz des ihr entstandenen Schadens sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 Euro forderte.

Alleinige Verantwortung lag bei der Radfahrerin

Diese Forderung begründete die Radlerin damit, dass der Pkw-Fahrer auf jeden Fall aus der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs haften müsse. Doch dem wollten sich die Richter des Oldenburger Oberlandesgerichts nicht anschließen. Sie gaben der Klage des Autofahrers statt. Gleichzeitig wiesen sie die Widerklage der Fahrradfahrerin als unbegründet zurück.

Nach Ansicht des Gerichts ist die Fahrradfahrerin allein für den Unfall verantwortlich. Denn sie hat dem Kläger die Vorfahrt genommen. Diesem ist hingegen kein Verkehrsverstoß vorzuwerfen. Denn er ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme weder zu schnell gefahren noch konnte er den Abbiegevorgang der Radlerin rechtzeitig erkennen. Für ihn war die Kollision folglich nicht zu verhindern.

Keine Haftung aus der Betriebsgefahr

Auch eine Haftung aus der Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Klägers, was in vielen Fällen zu einem Haftungsanteil von 20 bis 25 Prozent führt, wie andere Gerichtsurteile zeigen, schlossen die Richter aus. Denn der Unfall beruhte auf einem eindeutigen Verkehrsverstoß der volljährigen Fahrradfahrerin. Daher tritt die Betriebsgefahr hinter deren alleinigem Verschulden vollständig zurück. Während die Radlerin leer ausging, wurde dem Kläger der volle Ersatz des ihm entstandenen Schadens sowie die Zahlung eines Schmerzensgeldes zugesprochen.

Da die Radfahrerin eine Privathaftpflicht-Versicherung hat, werden die Forderungen gegen sie als Versicherte von der Versicherung übernommen. Hätte sie keinen entsprechenden Versicherungsschutz, müsste sie den von ihr verursachten Schaden und das dem Unfallgegner zugesprochene Schmerzensgeld aus der eigenen Tasche begleichen.

Quelle: (verpd)

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