Immer wieder gibt es Ärger, inwieweit eine gesetzliche Krankenkasse auch die Kosten für ein aufwendiges Hilfsmittel übernehmen muss. Ein Landessozialgericht hat vor Kurzem dazu ein Urteil gefällt.

Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs dürfen Mitglieder beziehungsweise Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung nicht auf kostengünstigere, aber weniger wirksame Hilfsmittel verwiesen werden. Sie haben vielmehr einen Anspruch auf einen möglichst weitgehenden Ausgleich ihres Funktionsdefizits. Das hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit einem kürzlich getroffenen Urteil entschieden (Az.: L 11 KR 1996/17).

Eine gesetzlich Krankenversicherte litt seit 15 Jahren unter den Folgen einer stetig fortschreitenden Multiplen Sklerose (MS). Ihre Gehfähigkeit war stark eingeschränkt. Gestützt auf eine Verordnung ihres Arztes beantragte sie bei ihrem gesetzlichen Krankenversicherer die Übernahme der Kosten für ein technisch aufwendiges Fußhebersystem. Das System sendet drahtlos kleine elektrische Impulse an den Wadenbeinnerv und stimuliert dadurch die Fußheber.

Zudem erfasst es in Echtzeit die Gehposition, die verschiedenen Gehgeschwindigkeiten sowie Änderungen in der Untergrund-Beschaffenheit. Dadurch wird deutlich die Gehfähigkeit der Anwender verbessert.

Deutliche Verbesserung der Gehfähigkeit

All das wurde von der gesetzlichen Krankenkasse auch nicht infrage gestellt. Sie lehnte es dennoch ab, den Wunsch der Versicherten auf Übernahme der Kosten von fast 6.000 Euro zu erfüllen. Das begründete die Kasse damit, dass die Nutzung herkömmlicher deutlich kostengünstigerer Lösungen wie etwa einer sogenannten Peronäusschiene (Fußheberorthese) ausreichen würde. Im Übrigen habe der Gemeinsame Bundesausschuss für Ärzte und Krankenkassen (GBA) keine positive Empfehlung für die von der Versicherten geforderte Art der Krankenbehandlung abgegeben.

Mit ihrer gegen den Ablehnungsbescheid ihrer Krankenkasse eingereichten Klage hatte die Versicherte sowohl beim Stuttgarter Sozialgericht als auch beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Erfolg. Letzteres wies jetzt die Berufung der Krankenkasse gegen die Entscheidung der Vorinstanz als unbegründet zurück. Das Gericht stellte zunächst einmal fest, dass das von der Klägerin gewünschte Fußhebersystem keine positive Auswirkung auf den Verlauf ihrer MS-Erkrankung hat.

Es diene auch nicht der eigentlichen Krankenbehandlung, sondern habe als Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich das Ziel, die Gehfähigkeit und Mobilität der Versicherten zu verbessern. Daher sei, anders als von der Krankenkasse vorgetragen, keine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses erforderlich. Denn es würde nicht um eine neue Methode der Krankenbehandlung gehen.

Anspruch auf weitgehenden Ausgleich des Funktionsdefizits

Im Vordergrund stehe vielmehr der unmittelbare Behinderungsausgleich. In diesem dürften Versicherte jedoch nicht auf kostengünstigere, aber weniger wirksame Hilfsmittel verwiesen werden.

Diese hätten vielmehr einen Anspruch auf einen möglichst weitgehenden Ausgleich ihres Funktionsdefizits. Dabei sei der aktuelle Stand des medizinischen und technischen Fortschritts zu berücksichtigen.

Nach Einholung eines Gutachtens zeigten sich die Richter davon überzeugt, dass das neue Fußhebersystem entscheidende Verbesserungen für die Gehfähigkeit und Mobilität der Klägerin mit sich bringt. Sie habe daher einen Anspruch auf Übernahme der Anschaffungs- sowie verschiedener Zusatzkosten, wie die für eine Einweisung, Anpassung und eines Software-Updates durch ihren gesetzlichen Krankenversicherer.

Kostenschutz für gesetzlich Krankenversicherte

Wie der Fall zeigt, kann es notwendig werden, sich gerichtlich gegen die Entscheidung eines Sozialversicherungs-Trägers, im genannten Fall war es eine gesetzliche Krankenkasse, zu wehren. Verfahren vor einem Sozialgericht sind zwar hinsichtlich der Gerichtskosten und der gerichtlich angeforderten Gutachten für die in der Sozialversicherung Versicherten, für die Leistungsempfänger und für behinderte Menschen kostenlos. Allerdings muss man die Rechtsanwaltskosten, sofern man den Gerichtsprozess verloren oder einem Vergleich zugestimmt hat, in der Regel selbst übernehmen.

Um auch dieses Kostenrisiko zu vermeiden, hilft eine Privat- und Berufsrechtsschutz-Versicherung. Eine derartige Police übernimmt im Streitfall unter anderem die Anwaltskosten bei einem Sozialgerichtsstreit, wenn Aussicht auf Erfolg besteht und vorab eine Leistungszusage durch den Rechtsschutzversicherer erteilt wurde. Sie übernimmt aber auch bei zahlreichen anderen Auseinandersetzungen wie beim Einklagen von Schadenersatz und Schmerzensgeld sowie beim Streit mit dem Arbeitgeber die anfallenden Prozesskosten.

Tipp: Wer gesetzlich krankenversichert ist, kann mit einer privaten Krankenzusatz-Versicherung die Gesundheitskosten, die er aufgrund der eingeschränkten Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung normalerweise selbst zu tragen hat, abfedern. Solche Ergänzungspolicen gibt es unter anderem für Leistungen im Bereich Brillen, Heilpraktiker sowie Zahnarzt und Zahnersatz, aber auch für den Eigenanteil von verordneten Arznei- und Heilmitteln.

Quelle: (verpd)

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