Letztes Jahr haben Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen mehrere Tausende Verdachtsfälle auf medizinische Behandlungsfehler überprüft. Die dazu veröffentlichte Statistik zeigt, wie viele von Patienten gemeldete Fälle zu einem Gesundheitsschaden oder gar zum Tod führten.
Vor Kurzem hat der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) eine Statistik über im Jahr 2019 per Gutachten bestätigte Behandlungsfehler an Patienten veröffentlicht. Insgesamt wurden über 14.500 Verdachtsfälle bearbeitet – in rund jedem vierten Fall haben sich ärztliche Fehler bestätigt.
Bei dem Verdacht auf einen Behandlungsfehler muss üblicherweise der Patient dem Arzt ein Verschulden nachweisen. Die Krankenkassen als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind verpflichtet, ihre Versicherten bei der Durchsetzung von Ansprüchen aus Behandlungsfehlern zu unterstützen. Dazu prüfen spezielle Gutachterteams des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) im Auftrag der Krankenkassen, ob die Vorwürfe von Behandlungsfehlern gerechtfertigt sind.
Der MDS hat jüngst eine Statistik über Behandlungsfehler für 2019 vorgelegt. Demnach hat der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) im Auftrag der Krankenkassen 14.553 Verdachtsfälle durch Sachverständige begutachten lassen und damit 420 mehr als im Vorjahr. Dabei haben sich fast drei Viertel (74,7 Prozent) der Vorwürfe nicht bestätigt. Konkret wurden in 70,6 Prozent der Fälle keine Fehler festgestellt. 4,0 Prozent waren Fehler ohne Schäden. Bei mehr als jedem vierten Verdachtsfall lag jedoch ein Behandlungsfehler vor, der zu einem Schaden führte.
Mehr Verdachtsfälle im stationären Bereich
Im Detail gab es 4.983 Verdachtsfälle im ambulanten Bereich und 9.499 Verdachtsfälle im stationären Bereich. Bei jeweils rund 25 Prozent wurden tatsächlich Behandlungsfehler festgestellt, bei denen es zu Schäden gekommen ist. Das heißt, die Kunstfehler verteilten sich zu über einem Drittel auf die ambulante und zu knapp zwei Dritteln auf die stationäre Versorgung. Konkret gab es bei 3.688 Patienten, das waren 25,3 Prozent aller Verdachtsfälle, von Gutachtern festgestellte Behandlungsfehler mit Folgen.
Insgesamt erlitten fast ein Drittel dieser Geschädigten, konkret 1.179 Patienten Dauerschäden und drei Prozent beziehungsweise 140 starben wegen Behandlungsfehlern. 2.332 Betroffene hatten vorübergehende Schäden, zudem waren bei 37 lebensrettenden Maßnahmen notwendig. Häufigstes betroffenes Fachgebiet war die Orthopädie und Unfallchirurgie mit einem Anteil von 32,1 Prozent aller vorgeworfenen Behandlungsfehler; das waren 4.655 Verdachtsfälle – davon wurden rund 1.341 Fälle und damit 28,7 Prozent bestätigt. Das ist zugleich der Bereich mit den meisten bestätigten Fällen.
„Daraus sind aber keine Rückschlüsse auf die Sicherheit in den jeweiligen Bereichen möglich. Es ist vielmehr so, dass Patienten in diesen Fächern mögliche Fehler leichter erkennen können als in anderen“, erläutert Dr. Stefan Gronemeyer. „Wir sehen nur die Spitze des Eisbergs“, ergänzt der leitende Arzt und stellvertretende Geschäftsführer des MDS.
Pflege mit hohem Anteil an Verdachtsfällen
Die zweithäufigsten Verdachtsfälle, nämlich 1.609, was einem Anteil von 11,1 Prozent an allen Verdachtsfällen entspricht, gab es auf dem Gebiet der Inneren Medizin und Allgemeinmedizin. Hier bestätigte sich rund jeder vierte Verdachtsfall.
Besonders hoch war der Anteil der bestätigten Verdachtsfälle bei den mehr als 300 gemeldeten Fällen pro Fachgebiet, im Bereich der Pflege: Von 683 Verdachtsfällen kamen die MDS-Gutachter bei 404 Fällen und damit bei 59,2 Prozent zum Schluss, dass ein Behandlungsfehler vorlag.
Das ist der zweithöchste Wert bei den bestätigten Verdachtsfällen. Den zweithöchsten Anteil an bestätigten Verdachtsfällen bei den mehr als 300 gemeldeten Fällen je Fachgebiet gab es im Bereich der Zahnmedizin. Bei 1.055 Verdachtsfällen bewahrheitete sich der Verdacht bei 392 Fällen und damit bei 37,2 Prozent.
Informationen für betroffene Patienten
Die MDS betont jedoch, dass es sich bei der Statistik um keine repräsentative Auswertung handelt. Dadurch sind durch die Statistik auch keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Anzahl der Behandlungsfehler oder auf die medizinischen Gebiete, in denen solche Fehler häufiger als in anderen hierzulande passieren, möglich. Konkret heißt es vom MDS: „Mit der Veröffentlichung der Zahlen wollen die Medizinischen Dienste Transparenz über Umfang und Art der Behandlungsfehler im Gesundheitssystem herstellen und Impulse für Verbesserungen der Patienten-sicherheit geben.“
Zudem erklärt der MDS weiter: „Die vorliegende Statistik stellt – auch wenn es sich nicht um repräsentative Zahlen handelt – die umfangreichste Datenerhebung zu diesem Thema in Deutschland dar. Nach wie vor ist unbekannt, wie viele Patientinnen und Patienten einem Behandlungsfehler-Vorwurf nachgehen. Unbekannt ist auch, wie viele Behandlungsfehler hierzulande überhaupt geschehen und wie viele Menschen dadurch geschädigt werden. Wissenschaftliche Studien haben jedoch immer wieder gezeigt, dass von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist.“
Details über die Rechte, die man als Patient im Falle eines vermuteten Behandlungsfehlers hat, enthält der zweiseitige Flyer „Was Sie als Patient wissen sollten“, den es kostenfrei beim MDS als Download gibt. Gesetzlich Krankenversicherte können sich im Falle einer vermuteten Fehlbehandlung an ihre Krankenkasse und privat Krankenversicherte an ihre private Krankenversicherung wenden, um Unterstützungsmaßnahmen durch den Versicherer zu klären. Informationen für gesetzlich oder privat Krankenversicherte gibt es auch bei der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland gGmbH (UPD).
Quelle: (verpd)