Ob man Stornogebühren zahlen muss, wenn man eine Reisebuchung vor Reiseantritt storniert und danach der Reiseveranstalter selbst die Reise komplett absagt, zeigt ein Gerichtsurteil.

Sagt ein Reiseveranstalter eine Reise ab, hat er auch dann keinen Anspruch auf die Zahlung von Stornokosten, wenn eine Reisende kurz vorher selbst von dem Reisevertrag zurückgetreten ist. Das hat das Amtsgericht Stuttgart entschieden (Az.: 3 C 2852/20).

Eine Frau hatte geraume Zeit vor Beginn der Coronakrise eine Busrundreise durch Portugal einschließlich Hin- und Rückflug gebucht. Nachdem auch dieses Land von der Pandemie betroffen war, trat sie drei Tage vor Reisebeginn von dem Pauschalreisevertrag zurück. Noch am selben Tag übermittelte ihr der Reiseveranstalter ein Schreiben, in dem er ankündigte, dass er 65 Prozent des bereits gezahlten Reisepreises in Höhe von rund 2.000 Euro als Stornogebühr einbehalten werde. Den Differenzbetrag zahlte er kurz darauf an die Frau zurück.

Nachdem die portugiesischen Gesundheitsbehörden nur einen Tag später den Alarmzustand ausriefen, entschloss sich der Reiseveranstalter am Folgetag, das heißt einen Tag vor dem geplanten Reisebeginn, seinerseits dazu, die Reise abzusagen. Nicht zuletzt aus diesem Grund hielt es die Frau für ungerechtfertigt, dass sie wegen ihres Rücktritts von dem Reisevertrag Stornogebühren zahlen sollte. Sie verklagte den Reiseveranstalter daher auf Rückzahlung des kompletten Reisepreises.

Keine Stornogebühren für eine vom Veranstalter abgesagte Reise

Mit Erfolg: Das Stuttgarter Amtsgericht gab ihrer Klage statt. Die Richter schlossen sich der Argumentation der Klägerin an, dass sie angesichts der pandemiebedingten unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände im Sinne von Paragraf 651h Absatz 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) berechtigterweise vom Reisevertrag zurücktreten durfte, ohne Stornokosten zahlen zu müssen. Der Reiseveranstalter hielt dem zwar entgegen, dass es am Tag der Rücktrittserklärung der Klägerin noch keine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für Portugal gegeben habe.

Nach Überzeugung des Gerichts sei es aber absehbar gewesen, dass zum Zeitpunkt der Erklärung kein effektiver Schutz gegen das Virus während der Reise bestehen werde. Zu berücksichtigen sei, dass es sich um eine mehrtägige Flug- und Busreise gehandelt habe, bei der eine größere Anzahl von Menschen über einen längeren Zeitraum eng miteinander in Berührung gekommen wäre. Es sei daher letztlich vom Zufall abhängig gewesen, ob es während der Reise zu einem Infektionsgeschehen kommen würde.

„Schon aufgrund der in einem Reisebus oder Flugzeug vorherrschenden Enge ging mit der Durchführung der Reise eine Vervielfachung des Ansteckungsrisikos einher, weshalb gegebenenfalls eine erhebliche Beeinträchtigung vorlag“, heißt es dazu in der Urteilsbegründung. Unabhängig davon sei ein Pauschalreisender grundsätzlich dann nicht zur Zahlung einer Stornogebühr verpflichtet, wenn die Reise durch den Reiseveranstalter abgesagt wird. Das gelte auch dann, wenn der Reisende kurz zuvor selbst von dem Reisevertrag zurückgetreten sei.

Grundsätzlicher Kostenschutz für Reisende

Tipp: Wer grundsätzlich einen Kostenschutz haben möchte, wenn er aus bestimmten persönlichen Gründen eine gebuchte Reise nicht antreten kann oder abbrechen muss, sollte zeitnah zur Reisebuchung eine Reiserücktritts- und Abbruchversicherung abschließen. Denn bei einem Reiserücktritt oder -abbruch wegen eines persönlichen Grundes wie einer plötzlichen schweren Erkrankung oder einem Todesfall in der Familie kann der Reiseveranstalter fast immer Stornokosten bis hin zum kompletten Reisepreis verlangen.

Eine Reiserücktritts-Police übernimmt zum Beispiel die Stornokosten abzüglich einer vereinbarten Selbstbeteiligung, wenn eine gebuchte Reise wegen eines versicherten Grundes, der in der Police und den zugrunde liegenden Versicherungs-Bedingungen aufgeführt ist, storniert wurde. Dazu zählen in der Regel eine plötzlich auftretende schwere Erkrankung, ein schwerer Unfall, ein Todesfall in der Familie, und je nach Vereinbarung auch ein unverschuldeter Jobverlust und/oder auch ein Brand- oder Überschwemmungsschaden im Eigenheim.

Ebenfalls wichtig zu wissen: Mit einer Privatrechtsschutz-Police, die einen Vertragsrechtsschutz enthält, kann man sein Recht als Reisender ohne finanzielles Risiko durchsetzen. Besteht nämlich Aussicht auf Erfolg, werden unter anderem die Anwalts- und Prozesskosten übernommen, wenn vorab eine Leistungszusage vom Versicherer erteilt wurde – auch dann, wenn man den Prozess verliert. Die Rechte von Reisenden innerhalb der EU – auch bezüglich der Coronapandemie – zeigen die Webportale der Europäischen Kommission und des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland.

Quelle: (verpd)

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