Bei der Klärung der Frage, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, kann es manchmal um Millimeter gehen. Dies belegt ein aktuelles Urteil eines Landessozialgerichts.

Wenn sich ein Versicherter beim Durchschreiten der Außentür seines Wohnhauses verletzt, ist für die Klärung der Frage, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, allein der Ort des Unfalls entscheidend. Wann und wo die Ursache für den Sturz oder die Verletzung eingetreten ist, ist dagegen zweitrangig. Dies entschied der 2. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg in einem vor Kurzem veröffentlichten Urteil (Az.: L 2 U 3/12).

Ein Arbeitnehmer hatte sich auf dem Weg zur Arbeit beim Verlassen seines Wohnhauses in der Automatiktür den linken Fuß eingeklemmt und war dabei so unglücklich gestürzt, dass es zu zahlreichen Verletzungen im Bereich des linken Kniegelenks kam. Trotz einer Operation war ein Ende seiner Arbeitsunfähigkeit nicht abzusehen. Möglicherweise wird er auch auf Dauer erwerbsunfähig bleiben.

Vor oder hinter der Tür?

Die vom Verunfallten als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung beklagte Berufsgenossenschaft war zunächst von einem Arbeitsunfall ausgegangen und hatte die Kosten der Behandlung übernommen. Als sie aber erfuhr, dass der Unfall beim Durchschreiten der Haustür passiert war, lehnte sie die Gewährung von Leistungen ab. Begründung: Der Versicherungsschutz beginne erst vor der Haustür, also nach Beenden des Durchschreitens.

Ursache für die Verletzung sei gewesen, dass der Versicherte mit dem Fuß zwischen der Türschwelle unter der von innen schließenden Tür eingeklemmt gewesen sei. Dadurch habe er sich im Fallen das Knie verletzt. Nicht durch den Sturz draußen vor der Tür, sondern durch das Einklemmen des Fußes im Haus habe er sich die Verletzungen zugezogen und damit noch im häuslichen Bereich. Folglich sei dies kein Arbeitsunfall gewesen.

Dagegen klagte der Versicherte vor dem Sozialgericht Frankfurt/Oder. Dieses schloss sich der Argumentation der Berufsgenossenschaft an, dass der Bereich der persönlichen privaten Lebenssphäre erst dann verlassen wird, wenn der Versicherte die Außentür vollständig passiert und hinter sich geschlossen hat. Deshalb wies es die Klage ab.

Vor der Haustüre gestürzt

Als Berufungsinstanz war das Landessozialgericht anderer Auffassung und verwies dabei auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 12. Oktober 1973 (Az.: 2 RU 167/72). In diesem entschieden die Richter, dass es sich bereits dann um einen Arbeitsunfall handelt, wenn der Sturz auf dem Weg zur Arbeit im häuslichen Bereich begonnen, der Versicherte sich jedoch erst beim Auffallen vor der Haustür verletzt habe.

Im vorliegenden Fall sah das Landessozialgericht dies als gegeben an und hielt die Ausführungen der ersten Instanz, „dass der Kläger die Haustür nicht aufrechten Ganges passiert und sich die Tür nicht erst hinter ihm geschlossen“ habe, für unerheblich.

Deshalb hob es das erstinstanzliche Urteil auf und verurteilte die Beklagte dazu, den Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Eine Revision ließ das Landessozialgericht nicht zu.

Absicherung für alle Fälle

Übrigens: Bei Streitigkeiten mit der Berufsgenossenschaft hilft eine private Rechtsschutz-Police weiter. Sie übernimmt beispielsweise die Rechtsanwaltskosten sowie eventuell anfallende Sachverständigenkosten. Wichtig ist, dass der Versicherte die Leistungszusage vom Versicherer bereits beim ersten Gang zum Anwalt einholt.

Prinzipiell kann man sich nicht alleine auf die gesetzliche Absicherung verlassen, selbst wenn es im Rahmen der Berufstätigkeit zu einem Unfall mit gesundheitlichen Schäden gekommen ist. Denn zum einen fallen viele Tätigkeiten, auch wenn sie im unmittelbaren Bereich der Berufsausübung erfolgen, nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Zum anderen passieren die meisten Unfälle in der Freizeit, und hier besteht normalerweise grundsätzlich kein gesetzlicher Unfallschutz.

Die private Versicherungswirtschaft bietet diesbezüglich zahlreiche Lösungen an, um sowohl einen fehlenden gesetzlichen Versicherungsschutz als auch die eventuell durch Unfall oder Krankheit auftretenden Einkommenslücken trotz gesetzlichem Schutz abzusichern. Zu nennen sind hier eine private Unfall-, eine Erwerbs- oder Berufsunfähigkeits-Versicherung, aber auch eine Krankentagegeld-Police.

(verpd)

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