Inwieweit ein Urlauber wegen der Ausbreitung des Coronavirus von einer gebuchten Pauschalreise zurücktreten kann, ohne dass er deswegen Stornogebühren zahlen muss, hatte jüngst ein Gericht zu klären.
In einem Reisegebiet bestand eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Ausbreitung des aktuellen Coronavirus. In diesem Fall ist der Veranstalter einer Pauschalreise bei einer Stornierung durch den Kunden vor Reiseantritt dazu verpflichtet, ihm den vollständigen Reisepreis ohne Abzug von Stornokosten zu erstatten. Das hat das Amtsgericht Frankfurt am Main mit einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden (Az.: 32 C 2136/20 (18)).
Ein Mann hatte bei einem Reiseveranstalter bereits 2019 eine Pauschalreise auf die im Golf von Neapel liegende Insel Ischia gebucht. Als Beginn war der 14. April 2020 vereinbart worden. Am 7. März 2020 entschloss sich der Mann dazu, die Reise, die unter anderem einen Flug von Hamburg nach Neapel und zurück beinhaltete, zu stornieren. Denn die Meldungen über den sich weltweit ausdehnenden aktuellen Coronavirus nahmen immer bedrohlichere Ausmaße an.
Das wurde von dem Veranstalter der Reise zwar akzeptiert. Er zahlte dem Urlauber unter Abzug der in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen genannten Stornokosten jedoch nur einen Teil des Reisepreises zurück. Das begründete er damit, dass zum Zeitpunkt der Stornierung Anfang März für das Reisegebiet noch keine Reisewarnung des Auswärtigen Amts vorgelegen habe. Es müsse folglich von einer normalen Stornierung ausgegangen werden. Daraufhin reichte der Betroffene gegen das Unternehmen Klage ein.
Reiserücktritt wegen wahrscheinlicher Covid-19-Ausbreitung
Diese begründete er damit, dass sein Rücktritt von dem Reisevertrag angesichts des sich rasant ausbreitenden Virus auf einen „unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstand“ zurückzuführen gewesen sei. Ihm stehe daher die Erstattung des vollständigen Reisepreises zu. Dieser Argumentation schloss sich das Frankfurter Amtsgericht an und gab der Klage statt.
Nach Meinung der Richter komme es darauf an, wann der Rücktritt erfolgte und ob die Gegebenheiten am Urlaubsort zu diesem Zeitpunkt bereits als außergewöhnlicher Umstand zu qualifizieren waren. Danach könne die Frage beurteilt werden, ob einem Reisenden, der wegen der Corona-Epidemie von einem Reisevertrag zurücktritt, die Stornokosten zu erlassen sind.
Gericht stellt nur geringe Anforderungen an Nachweis
Die an den Urlauber zu stellenden Anforderungen an einen entsprechenden Nachweis seien allerdings gering. So sei es nicht zwingend erforderlich, dass zum Zeitpunkt der Stornierung bereits eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für das Reisegebiet vorgelegen habe. Ausreichend sei vielmehr eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine gesundheitsgefährdende Ausbreitung des Virus.
Von der habe der Mann Anfang März jedoch ausgehen dürfen. Denn bereits zu diesem Zeitpunkt sei absehbar gewesen, dass auch Italien von den Auswirkungen der Pandemie nicht verschont bleiben werde. Der Kunde habe daher gemäß Paragraf 651h Absatz 3 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) von dem Reisevertrag zurücktreten dürfen, ohne dass ihm der Reiseveranstalter Stornokosten in Rechnung stellen durfte.
Rechte von Reisenden in der Coronapandemie
Details zu den Rechten von Reisenden in der Coronapandemie enthält das Webportal des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland. Laut europäischem Reiserecht gilt, dass eine kostenlose Stornierung möglich ist, wenn Pauschalreisen aufgrund höherer Gewalt nicht stattfinden können. Dies liegt vor, wenn unvermeidbare außergewöhnliche Umstände wie ein Krieg, Naturkatastrophen oder auch eine Pandemie wie aktuell wegen des Coronavirus die Reise erheblich beeinträchtigen würden.
In der Regel ist eine offizielle Reisewarnung – nicht jedoch bereits ein Reisehinweis – des Auswärtigen Amtes ein Indiz dafür, dass eine solche höhere Gewalt vorliegt. Dies gilt jedoch nur, wenn die Unzumutbarkeit der Reise zum Beispiel aufgrund der starken Verbreitung des Coronavirus am Zielort zum Zeitpunkt der Reisebuchung beispielsweise noch nicht aus den Medien bekannt war. Wer bucht, obwohl bereits bekannt ist, dass eine erhöhte Ansteckungsgefahr am Zielort besteht, hat in der Regel keinen Anspruch auf eine kostenlose Stornierung.
Ausnahme von der Regel
Zudem ist eine kostenfreie Stornierung einer Pauschalreise wegen höherer Gewalt meist nur möglich, wenn der geplante Reisetermin nicht später als eine Woche nach Eintreten des betreffenden Ereignisses oder nach Aufhebung der Reisewarnung liegt. Denn es kann sein, dass die Gefahr für den Reisenden dann nicht mehr besteht. Dass allerdings nicht immer eine Reisewarnung für eine kostenlose Stornierung notwendig ist, belegt das oben genannte Gerichtsurteil.
Manchmal kann man sich einen Rechtsstreit ersparen, wenn man vorab mit dem Reiseveranstalter abklärt, ob eine kostenfreie Stornierung möglich ist. Wer eine Privatrechtsschutz-Police hat, in der Vertragsstreitigkeiten mitversichert sind, kann jedoch ohne finanzielles Risiko als Reisender sein Recht auch vor Gericht durchsetzen. Denn eine solche Police übernimmt die Anwalts- und Prozesskosten für derartige Streitfälle, wenn Aussicht auf Erfolg besteht und vorab eine Leistungszusage vom Versicherer erteilt wurde, selbst man den Gerichtsprozess später verliert.
Quelle: (verpd)