Normalerweise muss ein Beschuldigter, der zu einem Bußgeldverfahren einen Gutachter beauftragt, auch dessen Kosten zahlen. Ob dies auch für vermeintliche Raser gilt, die nur mittels eines Sachverständigen Fehler in der Radarmessung nachweisen können, zeigt ein Gerichtsurteil.
Kann ein der Geschwindigkeits-Übertretung Beschuldigter mithilfe eines von ihm beauftragten Sachverständigen seine Unschuld beweisen und entgeht nur deswegen einer Verurteilung, hat er einen Anspruch auf Erstattung der Gutachtergebühren durch die Staatskasse. Das hat das Amtsgericht Senftenberg entschieden (Az.: 50 OWi 1092/15).
Einem Autofahrer war eine erhebliche Geschwindigkeits-Überschreitung vorgeworfen worden. Er sollte wegen dieser Ordnungswidrigkeit ein Bußgeld in Höhe von 120 Euro bezahlen. Weil er sich sicher war, nicht zu schnell gefahren zu sein, beauftragte er einen Privatgutachter, die Radarmessung beziehungsweise das Messverfahren zu überprüfen. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Radarmessung bestehen.
Daraufhin klagte der Autofahrer gegen den Bußgeldbescheid und hatte Erfolg. Das Verfahren gegen ihn wurde aufgrund seiner Klage und der vom Gutachter vorgelegten Beweise eingestellt. Die Kosten für das Gutachten in Höhe von fast 700 Euro wollte die Staatkasse dem Autofahrer jedoch nicht erstatten.
Keine Regel ohne Ausnahme
Die Ablehnung der Kostenübernahme wurde damit begründet, dass derartige Kosten nicht als notwendige Auslagen im Sinne der Strafprozessordnung anzusehen seien. Denn es sei grundsätzlich Sache der Gerichte und der Ermittlungsbehörden, zur Sachaufklärung beizutragen. In dem entschiedenen Fall sei die Messung der Geschwindigkeit mittels eines standardisierten Verfahrens vorgenommen worden. Zweifel an der Richtigkeit der Messung habe der zuständige Richter folglich nicht haben müssen.
Doch dem wollte sich das Senftenberger Amtsgericht nicht anschließen. Es gab dem Ansinnen des Beschuldigten auf Erstattung der Sachverständigen-Gebühren statt. Nach Ansicht des Gerichts gehören die Kosten eines Privatgutachtens in einem Ordnungswidrigkeiten-Verfahren zwar tatsächlich nicht zu den notwendigen Auslagen im Sinne der Strafprozessordnung.
In Ausnahmefällen sei jedoch eine Erstattung geboten, etwa wenn ein Gutachten zur Abwehr eines Anklagevorwurfs zwingend erforderlich sei oder sich die Prozesslage des Beschuldigten ohne ein Gutachten verschlechtern würde. Gleiches gelte auch, wenn ein Beschuldigter damit rechnen müsse, dass sich ein Gericht keinesfalls gutachterlicher Hilfe bedienen wird.
Waffen und Chancengleichheit
Die Erstattungsfähigkeit von Gutachterkosten sei daher zu bejahen, „wenn sich die Partei aufgrund fehlender Sachkenntnisse oder wegen eines besonderen Schwierigkeitsgrades zu sachgerechtem Vortrag nicht in der Lage sieht und daher befürchten muss, ihrer Darlegungs- und Substantiierungslast nicht genügen, einen gebotenen Beweis nicht antreten oder Angriffe des Gegners nicht abwehren zu können“, heißt es dazu in der Entscheidung.
Auch der Gesichtspunkt der sogenannten Waffen- und Chancengleichheit könne die Einholung eines Privatgutachtens notwendig erscheinen lassen. In dem entschiedenen Fall wäre der Beschuldigte ohne Vorlage des von ihm in Auftrag gegebenen Gutachtens zweifelsohne zur Zahlung eines Bußgeldes verurteilt worden. Da das Privatgutachten für seinen Freispruch ursächlich wurde, waren ihm die Kosten als notwendige Auslage zu erstatten.
Wenn man unschuldig ist
Wem ein Verkehrsverstoß vorgeworfen wird, ohne dass er sich einer Schuld bewusst ist, diesen tatsächlich begangen zu haben, sollte sich frühzeitig dagegen wehren und einen Rechtsanwalt einschalten, um unliebsame Überraschungen wie ein Fahrverbot oder sonstige Strafen zu vermeiden.
Die anfallenden Prozesskosten können allerdings hoch sein. Mit einer Verkehrsrechtsschutz-Versicherung lässt sich dieses Kostenrisiko vermeiden. Denn eine solche Police übernimmt je nach Vertragsvereinbarung auch die Kosten für die Verteidigung in einem Verkehrsordnungs-Widrigkeitenverfahren – mit Ausnahme von Park- und Halteverstößen. Zu diesen Kosten zählen nicht nur die Gerichts- und Anwaltskosten, sondern gegebenenfalls auch die Kosten eines Sachverständigen.
Auch andere Verkehrsstreitigkeiten wie die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen oder die Klärung der Schuldfrage nach einem Verkehrsunfall sind mit einer Verkehrsrechtsschutz-Versicherung abgedeckt.
Quelle: (verpd)