Finanzielle und personelle Turbulenzen führen bei Fluggesellschaften gelegentlich zu Flugausfällen. Mit der Frage, ob betroffene Passagiere in so einem Fall einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung haben, hat sich das Landgericht Hannover befasst.
Wird ein Flug wegen eines wilden Streiks des Flugpersonals annulliert, so steht den betroffenen Passagieren kein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung im Sinne der Europäischen Fluggastrechte-Verordnung zu. Das hat das Landgericht Hannover mit einem vor Kurzem getroffenen Urteil entschieden (Az.: 8 S 25/17).
Mehrere Reisende wollten im Herbst letzten Jahres von Kreta nach Stuttgart fliegen. Weil sich an diesem Tag eine große Zahl von Piloten der Fluggesellschaft krankgemeldet hatte, wurde der Flug jedoch annulliert. Die massenhaften Krankmeldungen standen im zeitlichen Zusammenhang mit einer Entscheidung des Unternehmens über beabsichtigte Umstrukturierungs-Maßnahmen.
Das hatte für die Fluggäste zur Folge, dass sie Stuttgart erst mit einer rund 30-stündigen Verspätung erreichten. Sie forderten vor Gericht von der Fluggesellschaft daher eine Ausgleichszahlung im Sinne der Europäischen Fluggastrechte-Verordnung, welche für Fluggäste, die innerhalb der Europäischen Union (EU) abfliegen oder landen oder mit einer Fluggesellschaft mit Sitz in der EU fliegen, gilt. Doch sowohl das in erster Instanz mit dem Fall befasste Amtsgericht Hannover als auch das Landgericht der Stadt an der Leine wiesen die Klage der Fluggäste als unbegründet zurück.
Höchstrichterliche Entscheidung
Die Richter schlossen sich der Auffassung des Luftfahrtunternehmens an, dass es sich bei den Krankmeldungen ihres Personals um einen wilden Streik gehandelt habe. Dieser stelle im Sinne der Fluggastrechte-Verordnung einen außergewöhnlichen Umstand dar, für dessen Folgen kein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung bestehe.
Die Fluggesellschaft habe mit einer derartigen Reaktion ihrer Piloten nicht rechnen müssen. Denn es müsse möglich sein, Betriebsangehörige über beabsichtigte Umstrukturierungs-Maßnahmen zu unterrichten, ohne dass sich das Personal krankmeldet. Arbeitsrechtliche Maßnahmen hätten den wilden Streik und die dadurch bedingten Flugausfälle nach Ansicht der Richter ebenso wenig verhindern können wie Abmahnungen oder gar Kündigungen.
Es sei auch nicht feststellbar gewesen, dass sich die Annullierung des Fluges der Kläger durch andere der Fluggesellschaft zumutbare Maßnahmen hätte vermeiden lassen können. Die Kläger gehen daher leer aus. Der Bundesgerichtshof hatte bereits im August 2012 entschieden, dass eine Fluggesellschaft betroffenen Passieren gegenüber in der Regel nicht zu Ausgleichszahlungen verpflichtet ist, wenn ein von ihnen gebuchter Flug streikbedingt nicht stattfinden kann.
Wenn der Streik zu einer Verspätung führt …
Übrigens: Die wichtigsten Rechte für Reisende werden unter anderem in den Webportalen der Europäischen Kommission und des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland (EVZ) aufgeführt. Hier ist zwar ebenfalls zu lesen, dass Fluggäste bei verspäteten oder ausgefallenen Flügen aufgrund außergewöhnlicher Umstände wie eines Streiks keine Entschädigungsleistung erhalten, sie haben aber dennoch bestimmte Rechte im Rahmen der EU-Fluggastrechte-Verordnung.
So steht einem Betroffenen auch bei streikbedingten Verspätungen von mehr als zwei Stunden auf einer Reisestrecke von unter 1.500 Kilometern unter anderem eine kostenlose Betreuung zum Beispiel in Form von Speisen und Getränken sowie zwei Telefonaten zu. Das Gleiche gilt bei Verspätungen aufgrund außergewöhnlicher Umstände von mehr als drei Stunden bei einer Reiselänge von 1.500 bis 3.500 Kilometern sowie von mehr als vier Stunden bei mehr als 3.500 Kilometer Reisestrecke.
Sollte ein Flug aufgrund einer Verspätung erst am nächsten Tag oder noch später stattfinden, sind auch die Kosten für eine Hotelunterbringung bis zum Flug von der Fluggesellschaft zu tragen. Prinzipiell ist es sinnvoll, sich vorab mit der Fluggesellschaft abzusprechen, zum Beispiel bei notwendigen Hotelübernachtungen, um Probleme bei der Kostenerstattung zu vermeiden.
… oder der Flug annulliert wird
Wird der Flug aufgrund außergewöhnlicher Umstände, wie es ein Streik ist, annulliert, muss die Fluggesellschaft den betroffenen Fluggästen umgehend eine Umbuchungsmöglichkeit oder eine alternative Reisemöglichkeit, anbieten. Dabei spielt die Reiseart keine Rolle. Als Alternative kann also ein Flug mit einer anderen Fluglinie oder die Reise per Bahn, Bus oder Mietwagen angeboten werden. Bucht jedoch der betroffene Fluggast ohne Absprache mit der Fluggesellschaft um, kann er nach Angaben des EVZ keine Kostenerstattung verlangen.
Verspätet sich der Flug um mehr als fünf Stunden und will der Fluggast nicht mehr reisen, oder wird der Flug wegen eines Streiks annulliert und möchte der Reisende auch keine Ersatzbeförderung in Anspruch nehmen, kann er den gebuchten Flug ohne Stornokosten stornieren. Die Fluggesellschaft muss dann innerhalb von sieben Tagen die bezahlten Flugticketkosten zurückerstatten. Das EVZ rät allen Fluggästen, die von einem Streik betroffen sein könnten, sich zu informieren, ob ihr Flug betroffen ist.
Betroffene Passagiere sollten sich dann mit der Fluggesellschaft oder dem Reiseveranstalter frühzeitig in Verbindung zu setzen, um eine alternative Beförderungsmöglichkeit abzuklären. Gibt es keine Alternative und wurde nichts Gegenteiliges genannt, sollte man dennoch rechtzeitig am Flughafen sein, falls der Flug doch noch zeitnah stattfindet. Tipp: Mit einer Privatrechtsschutz-Police kann man übrigens auch sein Recht als Reisender zum Beispiel mithilfe eines Anwalts ohne finanzielles Risiko durchsetzen, wenn vorab eine Leistungszusage vom Versicherer für den Streitfall erteilt wurde.
Quelle: (verpd)