Ob Autofahrer grundsätzlich haften müssen, wenn es zu einem Unfall mit einem Fußgänger kommt, zeigt ein jetzt bekannt gewordener Beschluss eines Oberlandesgerichts.

Kollidiert ein Fahrzeug mit einem unachtsam die Fahrbahn überquerenden Fußgänger, so trifft den Fahrzeugführer grundsätzlich nur dann ein Mitverschulden, wenn er freie Sicht auf den Fußgänger hatte und rechtzeitig hätte anhalten oder ausweichen können. Das hat das Oberlandesgericht Hamm mit einen jüngst veröffentlichten Urteil entschieden (Az.: I-6 U 59/12).

Ein Mann wollte tagsüber als Fußgänger eine mehrspurige Straße überqueren. Dabei wurde er von dem Personenkraftwagen des Beklagten erfasst.

Mit dem Argument, dass ihn der Fahrer hätte sehen und auf ihn reagieren müssen, warf er ihm vor, den Unfall mitverschuldet zu haben. Der Autofahrer hafte daher zumindest aus der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs, denn für einen sogenannten „Idealfahrer“ wäre der Unfall vermeidbar gewesen, so die Meinung des Fußgängers.

Verdeckte Sicht

In dem sich anschließenden Rechtsstreit verteidigte sich der angeklagte Pkw-Fahrer damit, dass ihm wegen eines auf der rechten Fahrspur vor ihm fahrenden Fahrzeugs die Sicht auf den Fußgänger verdeckt war. Er habe ihn daher unmöglich rechtzeitig wahrnehmen können.

Da diese Darstellung von einem Unfallzeugen bestätigt wurde, kam ein von der ersten Instanz beauftragter Sachverständiger zu dem Schluss, dass der Unfall für den Beklagten unvermeidbar gewesen sei. Das Landgericht wies die Klage des Fußgängers daher als unbegründet zurück.

Verweigerte Prozesskostenhilfe

Der Kläger wollte gegen das Urteil Berufung einlegen. Er beantragte daher für die Berufungsinstanz die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Doch die wurde ihm vom Oberlandesgericht Hamm wegen Aussichtslosigkeit der Berufung verweigert. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war das Fahrzeug des Beklagten ungebremst mit dem Kläger kollidiert. Dadurch aber wird die Behauptung des Beklagten untermauert, den Kläger nicht gesehen zu haben.

Denn nach Ansicht der Richter widerspricht es der Lebenserfahrung, dass ein Autofahrer, der einen auf der Fahrbahn befindlichen Fußgänger wahrnimmt, nicht alles versucht, um eine Kollision zu vermeiden. Für die Glaubhaftigkeit der Angaben des beklagten Autofahrers spricht nach Meinung des Gerichts auch, dass er detaillierte Angaben zu dem den Kläger verdeckenden Fahrzeug machen konnte. Seine Angaben wurden im Übrigen durch den Fahrer des hinter ihm fahrenden Fahrzeugs bestätigt.

Kein Mitverschulden

Angesichts dieser Feststellungen scheidet ein Mitverschulden des Beklagten an dem Unfall aus. Er haftet auch nicht aus der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs. „Denn ein Fußgänger hat vor dem Betreten und beim Überschreiten der Fahrbahn besondere Vorsicht walten zu lassen. Ein Fahrdamm dient nämlich in erster Linie dem Kraftfahrzeugverkehr. Ein Fußgänger muss auf diesen achten und auf ihn Rücksicht nehmen. Er muss darauf bedacht sein, nicht in die Fahrbahn eines sich nähernden Fahrzeuges zu geraten“, so das Gericht.

Wenn sich ein Fußgänger nicht entsprechend verhält, so handelt er nach Ansicht der Richter in der Regel grob fahrlässig – mit der Folge, dass er allein für den Unfall verantwortlich ist. Eine Haftung des beklagten Autofahrers würde folglich nur dann in Betracht kommen, wenn er freie Sicht auf den Fußgänger gehabt hätte und den Unfall durch ein Brems- oder Ausweichmanöver hätte vermeiden können. Das war jedoch nachweislich nicht der Fall.

(verpd)

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