Wer auffährt, hat Schuld – so die gängige Meinung. Dass es auch Ausnahmen von dieser Regel gibt, belegt ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Hamm.

Wer durch sein Fahrverhalten einen Auffahrunfall provoziert, hat in der Regel keinerlei Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung für sein bei dem Unfall beschädigtes Fahrzeug. Das geht aus einem aktuell veröffentlichten Urteil des Oberlandesgerichts Hamm hervor (Az.: 6 U 167/12).

Ein Pkw-Fahrer befuhr bei Dunkelheit eine Ausfallstraße, um an einer dort befindlichen Anschlussstelle auf eine Autobahn zu fahren. Doch obwohl die Ampel vor einem Fuß- und Radweg, der die Auffahrt kreuzte, für Kraftfahrzeuge auf Grün stand, bremste er sein Fahrzeug unvermittelt ab.

Damit hatte die hinter ihm fahrende Autofahrerin, die ebenfalls auf die Autobahn wollte, nicht gerechnet. Sie fuhr auf das Fahrzeug des Mannes auf.

Beweis des ersten Anscheins?

Der Mann klagte gerichtlich auf Schadenersatz gegen die Unfallgegnerin. Ein Sachverständiger ermittelte den Schaden an dem Heck des klägerischen Fahrzeugs auf rund 9.500 Euro.

Mit dem Argument, dass der sogenannte Beweis des ersten Anscheins eindeutig für ein Verschulden der Auffahrenden spreche, verlangte der Kläger von dieser beziehungsweise ihrem Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer den Ersatz der von dem Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten. Ohne Erfolg: Das Oberlandesgericht Hamm wies die Schadenersatzklage als unbegründet zurück.

Unfallmanipulation

Nach Ansicht des Gerichts spricht die Art des Unfalls sowie die von ihm nicht bewiesene Behauptung des Klägers, das Fahrzeug selbst repariert und es anschließend an einen Unbekannten verkauft zu haben, eindeutig für eine Unfallmanipulation.

„Denn Auffahrkonstellationen werden häufig für provozierte Unfälle gewählt, weil sie gut beherrschbar und weitgehend ungefährlich sind“, so das Gericht. Die vermeintlich Geschädigten setzten dabei auf die Tatsache, dass der Anscheinsbeweis bei einem Auffahrunfall in aller Regel tatsächlich für ein alleiniges Verschulden des Auffahrenden spricht. Denn nach den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung hat ein Kraftfahrer seine Fahrweise so einzurichten, dass er sein Fahrzeug jederzeit innerhalb der übersehbaren Strecke anhalten kann.

Unterschiedliche Aussagen

In dem zu entscheidenden Fall zeigten sich die Richter davon überzeugt, dass der Kläger den Unfall provoziert hatte. Das könne nicht nur aus seinen zum Teil unterschiedlichen Aussagen zum Unfallhergang am Unfallort, vor dem Landgericht und vor dem Oberlandesgericht geschlossen werden.

Auch ein Fahrradfahrer, der zum Zeitpunkt des Unfalls auf die für ihn auf Rot stehende Ampel zugerollt war, hatte die Aussage der beklagten Autofahrerin bestätigt, dass der Kläger plötzlich und grundlos gebremst hatte. „Provoziert aber ein Autofahrer einen Unfall, so willigt er in die Beschädigung seines Fahrzeugs ein. Ihm steht daher mangels Rechtswidrigkeit der Beschädigung kein Schadenersatzanspruch zu“, so das Gericht. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.

(verpd)

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